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Es ist schon erstaunlich, wie gefeierte Projekte im Laufe weniger Jahre nahezu vollständig vergessen werden können – trotz neuer Veröffentlichungen. Gegen Vergessen hilft nur Erinnerung und diesem Punkt nimmt sich nun die Retroperspektive “Un Mondo Dove” an. Die Rede ist von einer unheimlich kosmopolitischen Band, die typisch amerikanischen Gothic-Sound produzierte, aus Deutschland stammte und dann auch noch fast ausschließlich italienisch sang. Die Rede ist von MADRE DEL VIZIO.
Beflügelt durch die Musik der kalifornischen Vorbilder The Mighty Sphincter, Mephisto Waltz und vor allem Christian Death (wobei hier eher an die späteren Veröffentlichungen zu denken ist) entschieden sich Silke Hofmann, Janusz Zaremba und Mark Hofmann und der kurz darauf in einem Club aufgegabelte Fulvio Tori eine Band zu gründen. Das war 1991.
Eng mit dem Apocalyptic Folk-Projekt Engelsstaub verkettet (immerhin waren Silke, Janusz und Mark Teil dieses Projekts), wurde in Zusammenarbeit mit dem Engelsstaub-Vorgänger Les Fleurs Du Mal eine Split-LP aufgenommen, die bald in die Hände des noch jungen Zillo-Magazins geriet. Damals noch jeden Pfennig wert, tummelten sich auf den Magazin-eigenen “German Mystic Sounds”-Samplern Größen des Undergrounds und auch Neuentdeckungen. Neuentdeckungen wie MADRE DEL VIZIO, die mit “Amore, Fede, Speranza” deutsche, nackt hinter Mauern versteckte Lammerjappen wie Lacrimosa-Mime Thilo Wolff auch heute noch stilvoll an die Wand leiden können. Die vier Musiker verbanden die stilprägenden Flange-Gitarren ihrer amerikanischen Kollegen mit treibenden Bassläufen und eher Punk-typischen Arrangements, die man durch die Leadgitarre dann wieder entkräftete. Leiden, in einem Rotweinmeer des Pathos versinken ohne der deutschen Krankheit der unerträglichen Betroffenheitslyrik anheimzufallen – das sind MADRE DEL VIZIO.
Auf “Un Mondo Dove” hat man sich nun den liebsten Stücken der älteren Bandgeschichte gewidmet, diese digital aufpoliert, in Reihe gebracht und mit ein paar Sahnehäubchen wie “Carcerazione = Morte” verfeinert, welches nach der mittlerweile hinfälligen Bandgründung quasi postmortem auf dem “The New Face Of APOLLYON”-Sampler erschienen war. “Madre”, “Stanza” oder das oft unterschätzte “Trivialitá” finden sich alle auf “Un Mondo Dove” wieder.
Nach Jahren der Vinyl-Abnutzung nun endlich auch eine Möglichkeit die Sternstunden von MADRE DEL VIZIO am Stück erleben zu können. “Un Mondo Dove” ist jedoch auch für die jüngere Generation zu empfehlen, die hier konzentriert auch einmal die positive Kehrseite deutscher Schwarzkutten-Musik erfahren können. Ganz ohne lachende Propheten und in Farbtöpfe gefallene Schmetterlinge.
Andy Madre Del Vizio - Band Homepage
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