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Da der Sommer ja oft zu Best-Of-Veröffentlichungen genutzt wird, die nicht sofort wie eine Bombe einschlagen müssen,
habe ich bei "The Jewels" nichtsahnend erwartet, eben eine solche vorzufinden. Falsch gedacht, denn die "Jewels"
sind in Wirklichkeit 15 brandneue Songs, die so klingen als wäre man zwischen den zwei letzten offiziellen Alben "Perpetuum Mobile"
und "Alles Wieder Offen" irgendwann abgebogen und auf einer Intellektuellen-Tagung gelandet. "The Jewels" ist ein bisschen Dada für kaffeesüchtige
Kunstfans, die auch einen verrückten Backstein abzufeiern wissen. "The Jewels" ist aber auch ein bisschen mehr, denn auch hier,
weniger als ein Jahr nach der Veröffentlichung von "Alles Wieder Offen" beweisen sich die NEUBAUTEN zumindest partiell immernoch unberechenbar.
"Ansonsten Dostojewski"?
Allem zugrunde liegt Blixa Bargelds DAVE-System, eine Art musikalischer Zufallsgenerator, der auf einem Sack mit knapp 600 bedruckten Karten
basiert. Jeder Musiker zieht nun mehrere Karten, kombiniert die Aufdrucke und entwickelt unabhängig von den anderen ein Konzept - bestenfalls ohne
deren Kenntnis (bis zur Aufnahme). "Bordun, Unten wegschneiden, A#, ein anderes Mal" - die Herausforderung dem Nachzukommen ist nicht gerade gering,
lässt aber auch Freiraum für wüste Interpretationen. Die größte Leistung hierbei ist sicherlich nicht die eigentliche Klangfindung, ohne diese
schmälern zu wollen, sondern die anschließende Zusammenarbeit der Band, aus der in sich geschlossene Stücke entstehen, die sich qualitativ
keineswegs von arrangierten Parts unterscheiden. Die einzelnen Stücke sind in sich beweglicher, Strukturen werden wieder aufgebrochen und durch den Mixer
gedreht - dennoch haftet den "Jewels" der fast schon typische Rotwein-Pop-Charakter der späten NEUBAUTEN an. Die für NEUBAUTEN-Verhältnisse recht kurze Spielzeit von 45 Minuten
wird durch eine 40-minütige Quicktime-Dokumentation wieder wett gemacht. Dank ausgefeilter Technik, lässt sich diese aber nicht mit jedem
Laufwerk abspielen, da manche die Daten-Spur nicht erkennen. Dank dieser kann man im übrigen die CD selbst auch nicht am PC anhören, was
nach dem Erhalt der CD keineswegs für Begeisterung sorgte.
Die Herren Arbeit, Bargeld, Moser, Unruh und Hacke sind und bleiben eine Institution deutscher Musikkultur
und so mag man Blixas mitunter arg gekünstelten Texte durchaus verzeihen. "The Jewels" sind also eine Berreicherung für all jene,
die nicht in das Supporter-Projekt involviert waren und den Schritt zwischen den beiden letzten Alben nicht so recht nachvollziehen konnten.
Andy Einstürzende Neubauten - Band Homepage
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