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Die oberpfälzer Formation JÄGERBLUT konnte bereits mit ihrem Debut "1896-1906" einiges an Land gewinnen und mit ihrer
neuen Art der Volksmusik etablieren. Das ganze hat jedoch herzlich wenig mit schunkelnden Fettärschen aus dem Musikantenstadel
zu tun, sondern viel mehr mit dem, was man heute in Denglisch ´Bayrische Traditionals´ nennen würde. Gleichzeitig ist die Komposition
keinesfalls an vorgefertigte Schemata und die Reproduktion tradierter Texte oder Melodien gebunden. Elemente von der soundorientierten
Herangehensweise des Post-Industrial und ein ungewöhnlichen Liedaufbau, sowie der Einsatz von Samplern, Synthesizern etc. ließen schnell
erahnen, was das Booklet schließlich preisgab: hinter JÄGERBLUT verstecken sich die Musiker Genevieve Pasquier, Anton Knilpert
(Thorofon, The Musick Wreckers, Kommando), Giuseppe Tonal (Tonal Y Nagual, The Musick Wreckers) und Tikki Nagual (Tonal Y Nagual).
Stammtischmuff und CSU-Wimpel, goodbye.
2008 meldeten sich JÄGERBLUT nun mit "Tannöd" zurück, einem Soundtrack zu der einzigen authorisierten Bühnenfassung des erfolgreichen, gleichnamigen
Buches von Andrea Maria Schenkel. Ihr Kriminalroman "Tannöd" basiert auf einem Mordfall im oberbayrischen Hinterkaifeck aus dem Jahr 1922,
die Handlung des Buches wurde von der Autorin jedoch in die 1950er verlegt. Die Tragödie um den Mord an sechs Menschen
auf einem Hinterhof wird hier psychologisch aufgearbeitet, man bekommt einen Einblick in die wertkonservative, bayrisch-traditionell
geprägten Sozialstrukturen der damaligen Zeit.
"Houst das g´heart? Houst das g´seng? drüm in Tannöd, dau is wos g´scheng." Was mit dem verhallten Getratsche hinter
vorgehaltener Hand seinen atmosphärischen Anfang nimmt, übergibt sich zusammen mit in Schieflage befindlichen Fiedeln in einen sehr schönen
´Titelsong´, der mit weiblichem (Pasquier) und männlichen Gesang (Nagual) auf das zu Geschehende einstimmt. Danach beginnt der eigentliche Soundtrack.
Trotz immerwieder vordergründig mit Akkordeon und Gitarre vermittelter Idylle brodelt es im Hintergrund, Brutalität zeichnet sich
in Rhytmussequenzen ab. Die Musik wird zu einem weiteren Teil des Bühnenbildes und man kann sich das Setting auch ohne
gesprochenen Text lebhaft vorstellen. Zwischen fiesen, angsteinflößenden Post-Industrial Nummern und atmosphärischen
Gitarren-Intermezzos ist alles dabei. Die Sound-Vielfalt ist extrem hoch und so bleibt "Tannöd" auch ganz ohne
Theaterstück spannend und vermittelt unterschiedlichste Stimmungsmuster und Eindrücke. Egal ob emotional oder räumlich.
Ohne eigene Namen gehen die Stücke im Geflecht des Soundtracks auf, der ähnlich endet wie er angefangen hat. Diesesmal
jedoch fast ohne lieblichen Frauengesang, dafür von einem brutal klingenden Herren (auch Tikki Nagual) gesungen. Hat auch dieses
Lied aufgehört, fühlt man sich wie beim Abspann eines guten Films. Man will ihn noch einmal ansehen.
Eine zu recht überall gelobte Veröffentlichung, die es in sich hat.
Andy
UMB - Label Homepage
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