GNARK.audio

Individu
Eine Perle findet zurück in die Zukunft...

band: Neva
label: Alone Prod.
type: CD Album
Andys Bewertung

4 von 5 GNARKS
 
Proto-Batcave, ein Wort, dass den Sound von NEVAs Album "Individu" wohl am besten beschreibt. Viele Jahre nachdem Jacquy Bitch das Projekt hinter sich gelassen hatte, ist das in den 1987 auf Tape veröffentlichte Material erstmals auf CD erhältlich. Als zusätzliches Schmankerl wurde der Mitschnitt eines Konzertes von 1987 gleich mit dazugepackt. Verantwortlich zeichnet sich auch hier wieder das französische Label Alone Prod., dass mit dem "Only Theatre Of Pain"-Tribute-Sampler bereits einiges an Staub aufgewirbelt hat.

Definitiv kein typischer Gothic Rock und kilometerweit vom Glam der frühen 80er entfernt, nehmen NEVA das voraus, was im neuen Millenium aus der Mottenkiste geholt und in neuer Form die Tanzflächen eroberte: Batcave. Über den Begriff kann man sich streiten (man sagt ja auch nicht zwangsläufig, dass man gerne ´Tresor´ hört o.ä.), doch wird er meistens für Bands verwendet, deren Musik von Keyboards, Drumcomputern, schrägen Vocals geprägt ist und so als oberflächliche Genrebezeichnung im Feld Gothic Rock / Death Rock / Goth Punk bestimmt seine Berechtigung hat. Gleichzeitig ist Batcave auch ein furchtbarer Modetrend, bei dem jeder nach dem höchsten Iro, dem kürzesten Minirock, den meisten zerfetzten Strumpfhosen, den höchsten Plateaus und den undergroundigsten Buttons zu jagen scheint. Musik ist oftmals Nebensache.

Von solchen Krankheiten ganz unberührt machten sich NEVA damals auf und nahmen das alles schonmal ein wenig vorweg, den konformistischen Kleidungsstil vielleicht einmal beiseite gelassen. Freiheit war das Programm, alles war erlaubt und die Wurzeln im Punk noch sehr hörbar. Jacquys dissonante, sehr eigene Stimme bahnt sich im Konzertmitschnitt immer wieder den Weg zwischen dem hier anders als im Goth Rock beispielsweise üblich extrem dominanten E-Bass und den hier und dort an trashige Horrofilme erinnernden Keyboard-Flächen durch. Geht manchmal unter, gewinnnt aber auch hier und dort den Kampf. Die Elektronik ist omnipräsent und gießt ein sehr eigenes Klangbild, was den damaligen Kultstatus der Band aus heutiger Sicht nachvollziehbar macht. Gerade das hymnische "Hallucination" bleibt sofort im Ohr hängen. "Individu" klingt schon ein bisschen mehr nach Punk und Cold Wave als das Konzert, typischer Minimal Synthie-Sound, eine dystopische Grundstimmung - "Psykodrame", "Valse", "Amnésie" fühlen sich an wie ein Trip auf die Flexipop-Sampler oder in das Studio von Snowy Red. Gerade "Psykodrame" könnte im digital aufpolierten Gewand die Tanzflächen auf einschlägigen Parties unsicher machen. Was NEVA nun absolut von vielen ´Batcave´-Bands von heute unterscheidet ist, dass man die Musik nicht irgendwelchen Regeln unterlegt hat - "Individu" schwimmt frei umher, analoges Gebratze kann und darf sich entfalten.

Hui! Ich bin begeistert, einzig und allein das Cover hinkt dem alten Artwork der Band ein wenig hinterher. Wo der Konzertmitschnitt noch sehr im Gitarren-Gothpunk-Whatsoever-Bereich schifft, überrascht einen "Individu" durch einen eigenständigen, unterkühlt-minimalistisch bis punkig-trashigen, großartigen Sound.

Andy

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